Die Systemische Familientherapie versteht menschliches Verhalten im Kontext des sozialen, insbesondere des familiären Umfeldes und des weiteren soziokulturellen Kontextes. Familien entwickeln im Laufe der Zeit bestimmte Regeln, Bilder und eine gemeinsam geteilte Sicht der Wirklichkeit, die das Denken, Erleben und Handeln leiten. Diese Bilder können einengen, wenn sie den sich wandelnden Anforderungen des Lebenszyklus nicht gerecht werden und Handlungsspielräume der einzelnen Angehörigen zu sehr einschränken. Familien verfügen über ein großes Potenzial, ihr Leben zu meistern, Krisen zu überstehen und neue Entwicklungsschritte zu machen.
Das Ziel der systemischen Behandlung besteht in der Veränderung der Beziehungsstruktur und den inneren Landkarte des Familiensystems und der einzelnen Angehörigen. Der Therapeut erforscht mit der Familie oder dem Klienten ihre persönliche Geschichte und rekonstruiert gemeinsam, welche Bedeutung dem Auftreten von Symptomen beigemessen wird. Mit Hilfe von lösungsorientierten Fragen werden Ausnahmen vom Problemverhalten erkundet. Durch die zirkuläre Fragemethode und gezielte Interventionen erhalten die Klienten Anregungen und Änderungsimpulse. Der Therapeut hilft, Beziehungen zu klären, die Balance von Geben und Nehmen auszugleichen, Rollenzuweisungen zu hinterfragen, eingefahrene Interaktionsweisen zu verändern und Grenzen und Aufgaben in der Familie neu auszuhandeln. Zu den typischen Interventionen der Familientherapie zählen u.a. Aufgaben und paradoxe Verschreibungen, Rituale und nonverbale Techniken wie beispielsweise Familienskulpturen und Konstellationen. Das Grundziel ist dabei stets, der Familie zu helfen, ihre eigenen Ressourcen wiederzuentdecken und mehr Handlungsspielraum zu gewinnen.
Die Systemische Therapie ist eines der am besten bestätigten wissenschaftlich anerkannten Verfahren.
Praktische Durchführung
Familientherapeutische Sitzungen finden in der Regeln in 2-4 wöchigem Abstand statt und dauern ca. 1,5- 2 h. Die Behandlungsdauer ist mit meist 8-12, selten über 30 Sitzungen eher kurz.
Mit der anmeldenden Person wird zu Beginn ausgehandelt, wer an den Gesprächen teilnehmen soll. Dabei können auch Personen aus dem außerfamiliären Umfeld einbezogen werden. Eine Kombination von Familiengesprächen mit Einzel- oder Paargesprächen ist oft zweckmäßig.
Ambulante systemische Behandlungen werden von den gesetzlichen (ab Juli 2020) und privaten Krankenkassen bei Erwachsenen finanziert. Die AOK, die BKK Bosch, die Betriebskrankenassen der BKK VAG und die DAK Baden-Württemberg übernehmen auch bei Kindern und Jugendlichen die Behandlungskosten. Bei bestimmten Diagnosen können Angehörige in eine psychotherapeutische Behandlung einbezogen werden.
Systemische Therapien können auch mit Einzelpersonen, Eltern und in Gruppen durchgeführt werden.